Festival

Liebes Publikum,

„ein mögliches Entkommen liegt im Traum und in der Poesie“, sagt Philippe Quesne, der sich zur Festivaleröffnung in Erlangen mit „Die Nacht der Maulwürfe“ in eine Parallelwelt gräbt, in der blinde Geschöpfe sinnentleerten Beschäftigungen nachgehen, fressen, schlafen, sterben und dabei allzu sehr an die menschliche Existenz erinnern. Aber sie entdecken auch die Kunst, die Musik! Um Vielstimmigkeit und Vielsprachigkeit, um Kommunikation im Zeitalter der Globalisierung geht es bei „Foreign Tongues“ von Liquid Loft zum Festivalauftakt in Nürnberg. Und das Puppentheater Magdeburg, das den ersten Abend in Fürth einleitet, beschäftigt sich in Form eines Re-Enactments des legendären Films von Fritz Lang „M – eine Stadt sucht einen Mörder“ in Zeiten „alternativer Fakten“ mit den Mechanismen von Meinungsmache und Hysterie.

Heiße Diskussionen, schlaflose Nächte, Pläne, die geschmiedet, verworfen und dann doch wieder aufgegriffen wurden: Jetzt dürfen wir Ihnen das Programm des 20. internationalen figuren.theater.festivals präsentieren. Mit Gastspielen von Gruppen wie Stuffed Puppet, dem Puppentheater Halle, dem Theater Waidspeicher, dem Figurentheater Wilde & Vogel, dem Sandglass Theater, Les Ateliers du Spectacle, Yeung Faï, der Bühne Cipolla und vielen mehr werden die Freunde des klassischen Figuren- und Objekttheaters auf ihre Kosten kommen. Needcompany, Antje Pfundtner, Miet Warlop, Meinhardt Krauss Feigl, Kate McIntosh, Pieter Ampe, Berlin, Rimini Protokoll, Karla Kracht – man könnte auch meinen, es handelt sich um ein Festival für zeitgenössischen Tanz oder die Performance-Avantgarde. 25 Kindertheater-Vorstellungen von Thalias Kompagnons über das Ensemble Materialtheater bis zum TJP Strasbourg – ein Kindertheater-Festival? Die Compagnie 111, Etienne Saglio, La Trócola Circo – Nouveau Cirque? Ariel Doron und Rabih Mroué befassen sich mit Krieg und Gewalt, Ulrike Quade und das O-Team mit Liebe und Sexualität im Zeitalter virtueller Realität, einige Kompagnien, unter anderem das Kulunka Teatro und das Schuberttheater Wien, thematisieren das Altern in der Gesellschaft…

Das internationale figuren.theater.festival sind mehrere Festivals in einem. Das wollen wir auch mit überarbeitetem Logo und neuer Schreibweise ausdrücken. Es geht nicht ausschließlich um das Genre Figurentheater. Die Ereignishaftigkeit eines Festivals, die uns dem Alltag enthebt, ist ein wichtiger programmatischer Punkt. Alles, was wir zeigen, ist natürlich Theater. Und die Figur ist das verbindende Element unseres Programms, die Puppe, die Maske, ein Objekt, das Licht, eine Projektion, ein Ton, eine Maschine … Das „Theater der Dinge“ hat es die Figurentheater-Theoretikerin Anna Kavrakova-Lorenz genannt, das „Andere Theater“ sagt man in Frankreich dazu. Eine Darstellungsform, die sich mit dem Theater als Ort des „Dazwischen“ auseinandersetzt, so Silvia Brendenal, langjährige Leiterin der Schaubude Berlin, „als den Ort zwischen Leben und Tod, zwischen Lebendigem und Totem, zwischen Heiligem und Profanem, zwischen Göttern und Menschen.“

Wir feiern in diesem Jahr unsere zwanzigste Ausgabe. Bereits 1979 wurde in Erlangen eine Aufführung in türkischer Sprache gezeigt. Manchmal ist es schon erstaunlich, wie lange bestimmte gesellschaftliche Prozesse dauern. Integration und Inklusion sind Themen, mit denen sich Kulturveranstalter derzeit verstärkt auseinandersetzen. Während vielfach darüber nachgedacht wird, wie Angebote verändert werden müssen, um möglichst viele Menschen ansprechen zu können, haben wir das Glück, ein Genre zu zelebrieren, das sich vielfach eher sinnlich, visuell, oft sogar ganz ohne Sprache vermittelt und so schon von sich aus sehr inklusiv ist. Dieses Merkmal wollen wir künftig verstärkt in den Blick nehmen, Barrieren weiter abbauen und – in einer Zeit, in der Politiker mit einfachen Parolen wachsenden Zulauf erfahren und die Meinungsfreiheit in Frage gestellt wird – noch mehr Menschen für Kunst und Kultur begeistern. Das Theater gibt keine einfachen Antworten, aber es kann zu einer besseren Zukunft beitragen. Das setzt allerdings den Mut voraus, sich mit Fremdem auseinander zu setzen, die Bereitschaft zur Verständigung und zur freien Zirkulation der Worte, der Bilder und Ideen.

Dazu laden wir Sie sehr herzlich ein!
Ihr Festivalteam

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